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Professor Willi Diez, Leiter des Instituts für Automobilwirtschaft,  über die Energiefrage – ein weitsichtiger Beitrag.  2008 erschienen in unserer Zeitschrift auto world, die wir damals mit dem VDA herausgegeben haben. Satz für Satz heute so lesenwert wie damals. 

Die Automobilbranche steht vor einem großen Umbruch. Sie muss sich jetzt die Energiewelt der Zukunft erschließen. Momentan wird überall viel über Antriebstechniken gesprochen und geschrieben, auch in dieser auto.world. Doch vielleicht greift ein rein technologischer Ansatz zu kurz. Selbst wenn bei der Frage, welcher der denkbaren alternativen Antriebe schnell marktreif wird und bleibt, im Wortsinn Hochspannung im Autobau aufkommt.

Was die Entwicklungsabteilungen jetzt überall treiben und testen, bedeutet nicht nur eine technische Umwälzung. Technologie hat Folgen. Die Frage zukünftiger Mobilität ist – ob man es will oder nicht – untrennbar mit der Frage nach dem Energieträger der Zukunft verbunden: Die einfache Kernfrage: Woher soll künftig die Energie, mit der Fahrzeuge betrieben werden, herkommen?

Am Beispiel Elektroauto: Der Strom kommt ja nicht einfach aus der Steckdose, sondern muss irgendwie erzeugt werden. Beispiel Brennstoffzelle: Die Technik ist wunderbar, nur muss irgendwo der Wasserstoff erzeugt werden, den diese Fahrzeuge tanken. Gesucht wird also eine ausreichend ergiebige Energiequelle nichtfossilen Charakters.

Ein Frage schon der näheren Zukunft: Wieviel Strom steht eigentlich zu welchem Preis zur Verfügung. Wieder technisch, ökonomisch und auch sozial gefragt: Was passiert eigentlich, wenn einmal Millionen von Fahrzeugen Strom benötigen? Es ist sehr wahrscheinlich, dass auch die Strompreise in Zukunft stark steigen. Wieweit und wann relativiert sich damit der wirtschaftliche Vorteil eines elektrisch angetriebenen Autos gegenüber einem Auto mit Verbrennungsmotor?

Bieten Low Price Vehicles, zu deutsch Billigautos, die nicht nur in den Emerging Markets gefahren und produziert werden sollen, Vision und Perspektive? In Sachen Energieeffizienz sind sie zumindest heute noch eher von gestern. Gemessen an der Motorisierung ist ihr Spritverbrauch zu hoch, als dass sie Mini-Lokomotiven der weltweiten Autokonjunktur werden könnten.

Gerade für Indien und China stellt sich übrigens die Kernfrage Energie genauso: Nennenswerte Rohstoffvorkommen, mit denen sich Kraftstoff herstellen lässt, sind dort nicht vorhanden. In Russland schon: Dort speist sich ein bislang ungebrochener automobiler Aufwärtstrend auf reichlich vorhandene Energiereserven.

Nach dem notwendigen Vorspiel der Technikdiskussion kommt – nicht nur auf der IAA für Nutzfahrzeuge und hier im Editorial der auto.world – die weltweite Debatte um die Zukunftsenergie für die Mobilität auf Sie zu. Die internationale Automobilwelt steht wahrscheinlich noch ziemlich lange unter Strom.