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Für Professor Dieter Kempf, den Präsidenten des Bundesverbands der deutschen Industrie (BDI),  übersehen  die Kritiker des deutschen Handelsüberschusses, dass Deutschland als “Import-Europameister” unverzichtbare Wachstumsimpulse in die Industrien der EU gibt.

Prof. Dieter Kempf, BDI

Es gibt Kritik am deutschen Handelsbilanzüberschuss. Ist sie berechtigt und betreibt Deutschland eine Politik billiger Exporte zulasten seiner Handelspartner?

Deutschlands erneuter Exportrekord ist ein Beleg für die Attraktivität unserer Produkte. Deutschland ist sowohl Export- wie Importeuropameister. Unsere Wirtschaft zählt mit einer Importquote von knapp 40 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu den offensten Industrienationen der Welt für Einfuhren aus dem Ausland. Vorwürfe, wie sie zuletzt aus den USA zu hören waren, Deutschland betreibe eine Politik billiger Exporte zulasten seiner Handelspartner, zielen daneben. Der internationale Warenhandel ergibt sich auf der Grundlage von Angebot und Nachfrage.Internationale Ungleichgewichte lassen sich nicht auf Knopfdruck beseitigen. Grenzüberschreitender Handel bringt gegenseitigen Nutzen, Protektionismus schadet allen.

Nach dem Brexit: Welche außenwirtschaftlichen Aufgaben stellen sich für die Unternehmen in Deutschland und in der EU?

Wir Europäer dürfen uns nicht kleinmachen. Europa gehört weltweit zu den stärksten Wirtschaftsräumen und ist ein einzigartiger Produktionsverbund zum gegenseitigen Vorteil. Wir genießen die Vorteile einheitlicher Regelungen und einer gemeinsamen Währung. Das Ausmaß der Schadensbegrenzung liegt überwiegend in der Verantwortung der britischen Regierung. Für die Politik in Brüssel und Berlin darf es nur eine Devise geben: Europa zusammenzuhalten und zu stärken. Dazu zählt der gemeinsame Binnenmarkt mit seinen vier Grundfreiheiten für Arbeit, Kapital, Waren und Dienstleistungen. Europa ist das Fundament für Wohlstand und Chancen – und nicht zuletzt für ein friedliches Zusammenleben auf dem Kontinent. Deshalb wundere ich mich, wie negativ die Europäische Union zuweilen betrachtet wird. Europa ist keinesfalls das Problem, vielmehr hilft Europa uns, Probleme zu lösen.

“Grenzüberschreitender Handel bringt gegenseitigen Nutzen, Protektionismus schadet allen”

Welche Folgen hätte eine Abschottungspolitik der USA mit hohen Einfuhrzöllen für Europas Unternehmen?

Der Welthandel ist kein Nullsummenspiel, bei dem der eine alles gewinnt und der andere verliert: Wenn wir zusammenarbeiten, gewinnen alle. Wenn wir gegeneinander arbeiten, kostet das Wohlstand, Jobs und Aufstiegschancen – überall auf der Welt. Zölle verteuern Produkte. Nehmen Sie das Beispiel Autoindustrie: Ein 35-prozentiger Strafzoll auf Einfuhren aus Mexiko würde die Kosten für US-Autohersteller laut einer Studie um durchschnittlich knapp fünf Prozent steigern. Auch in den USA gefertigte Autos sind auf Vorprodukte aus anderen Ländern wie Mexiko angewiesen. Ein solcher Zoll verteuert nicht nur Produkte, sondern trifft auch Arbeitnehmer und Verbraucher vor Ort. Generell erschweren Zölle die internationale Arbeitsteilung und die globalen Wertschöpfungsketten.

Was wären denn die Auswirkungen auf die in Jahrzehnten aufgebauten und fein verzahnten Wertschöpfungs- und Lieferketten der global aktiven Unternehmen?

Niemand ist eine Insel. Industrieproduktion erfolgt längst nicht mehr national.​​Wer Wertschöpfungsketten zerschlägt, bremst Innovation und verteuert Produktion. Das kostet Wohlstand und Chancen. Die Unternehmen in den USA sind auf deutsche und europäische Ingenieurstechnologie und Zwischenprodukte angewiesen. Derzeit sind rund 4.700 Unternehmen mit deutscher Beteiligung in den USA aktiv. Sie stehen für fast 700.000 Arbeitsplätze in allen Bundesstaaten. Unsere Unternehmen investieren pro Jahr über sieben Milliarden US-Dollar in Forschung und ​Entwicklung vor Ort. Sie wollen ihr Engagement ausbauen.

Ist für die Unternehmen denn eine Umgehungsstrategie realistisch, schnell neue Wertschöpfungskapazitäten in tendenziell abgeschotteten Märkten aufzubauen?

Nein, erstens lohnt es sich höchstens für sehr wenige, sehr große Länder. Zweitens ist es ausgesprochen teuer und dauert lange. Und drittens fehlt dann oft das Vertrauen, Kapital in Länder zu investieren, in denen der Staat unvorhersehbar in unternehmerische Entscheidungen interveniert, in denen die Rechtsstaatlichkeit zu wünschen übrig lässt und die Marktwirtschaft nicht richtig funktioniert.

China plädiert jetzt für offene Märkte und freien Fluss der Investitionen. Ist denn der Marktzugang für europäische Unternehmen in der Volksrepublik überall gesichert?

Die Rede Xi Jinpings auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos hat im Januar Hoffnung geschürt. Es wäre schön, wenn China sich weiter öffnen würde. Nun müssen auf diese Aussagen auch Taten folgen. In China gibt es weiterhin viele Marktzugangshemmnisse, die in Europa nicht existieren. Wir kennen bei uns keinen Joint-Venture-Zwang und keinen erzwungenen Technologietransfer. Wir Europäer müssen genauso Mehrheitsbeteiligungen an Unternehmen in China erwerben dürfen wie die Chinesen bei uns.