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Als Weltmarktführer bei Ventilatoren für Luft- und Klimatechnik sowie Antriebsmotoren ist das Künzelsauer Unternehmen Ziehl-Abegg SE mit 97 Vertriebsstandorten überall in der Welt vertreten.  Der Vorstandsvorsitzende Peter Fenkl erklärt, wie das Unternehmen seit 2010 “urschwäbisch, bescheiden und konservativ” um 50 Prozent gewachsen ist.

 

Peter Fenkl, Vorstandsvorsitzender Ziehl-Abegg, © ZIEHL-ABEGG

Rückblickend – wie ist Ziehl-Abegg durch die Wirtschaftskrise 2008/2009 gekommen?

Retrospektiv könnte man sich das damalige Drama eigentlich gut schönreden. Wir mussten aber damals hinnehmen, dass wichtige und auch so genannte sichere Märkte schlicht und einfach eingebrochen sind. Doch jede Krise schafft neue Möglichkeiten. Wir haben es geschafft, uns seither neu aufzustellen, neu zu organisieren und zu strukturieren. Somit sind wir gestärkt aus der Krise gegangen. Bereits 2010 haben wir, ganz so wie regelmäßig vor der Krise, ein neues Rekordjahr erreicht. Wir haben uns seitdem dynamisch entwickelt und konnten im Vergleich von 2010 auf  2015 ein Wachstum von annähernd 50 Prozent erreichen. Mit den  Maßnahmen, die wir in den Krisenjahren getroffen haben, konnten wir die Folgejahre erfolgreich bestehen.

Ist die Diversifizierung einer der Gründe für Ihren Erfolg nach der Krise?

Bereits vor der Krise haben wir uns überlegt, wie wir unser Geschäft sicherer und nachhaltiger gestalten können. Eine unserer Strategien war und ist es, sich auf unser Kernprodukt Elektromotoren zu fokussieren. Mit dieser Kernkompetenz haben wir uns in verschiedenste Marktsegmente diversifiziert. Dadurch sind wir erfolgreich gewachsen, haben neue Branchen erschlossen und unsere Produkte adaptiert. Ein Beispiel  ist die Windenergie-Branche, die sich nach der Krise hervorragend entwickelt und zum Umsatz erfolgreich beigetragen hat. Ein weiterer erfolgreicher Bereich sind die großen Rechenzentren, die die IT-Branche für Cloud-Lösungen braucht. Auch dafür haben wir in der Zeit Produkte entwickelt, die heute sehr gefragt sind.

Die Diversifizierung ist stets eine Herausforderung für die Vertriebsstruktur. Wie haben Sie diese bewältigt?

Das ist ein sehr vielschichtiges Thema. Als wir begannen, uns breiter aufzustellen, wollte uns die Vertriebsorganisation mit aller Macht beweisen, dass die alten Märkte doch hervorragend und ausreichend seien. Der Wandel kam erst, als meine Kollegen aus der Leitungsebene und ich gemeinsam sehr häufig international im Markt unterwegs waren, dadurch gemeinsam neue Trends und Tendenzen aufspüren und so die Vertriebsmannschaft besser sensibilisieren konnten.

Wie hat sich Ihr Auslandsgeschäft  seit der Krise entwickelt?

Ziehl-Abegg ist in Deutschland und Europa eine Marke in der Industrie, an der man nicht vorbeigehen kann. Unsere Marktanteile sind durchaus ansehnlich. In jungen Märkten wie Asien sind wir noch nicht so positioniert. In reiferen Märkten wie Nordamerika waren wir auch noch nicht so gut aufgestellt. Erst in den letzten Jahren haben wir dort den richtigen Zugang bekommen, mit entsprechender wirtschaftlicher Nachhaltigkeit.

Wie analysieren und selektieren Sie die internationalen Märkte, in denen Sie Wachstumspotenzial für Ihr Unternehmen sehen?

Grundsätzlich gehen wir dieses Thema urschwäbisch, sehr konservativ und bescheiden, an. Wir müssen uns unseren Erfolg und unser Wachstum jedes Mal erst verdienen. Wir gehen darum nur Märkte an, die wir strategisch sauber bewertet haben. Bei den Zielländern wissen wir genau, wie wir konzeptionell vorgehen wollen. Dafür wichtig ist, dass wir – die Führungsteams und mich eingeschlossen – häufig selbst vor Ort sind. Außerdem verfügen wir über ein ausgeklügeltes Reportingsystem, das uns ohne viel Aufwand wertvolle Informationen zur Verfügung stellt. Dieser Strauß aus verschiedenen Informationsquellen verschafft uns einen sehr guten Überblick über Risiken und Chancen in den Regionen. Hinzu kommt, dass viele unserer großen Kunden selbst überregional aktiv sind – und so im Krisenfall meist nicht alle Teilmärkte gleichzeitig  mit aller Härte betroffen sind. Es gibt immer irgendwo Handlunsgsspielraum.

Wachstum  im Ausland verlangt Präsenz vor Ort bei den Kunden und immer häufiger local content . Wie bauen Sie die Kapazitäten dafür im Ausland auf?

Wir starten überall zunächst mit einer überschaubaren Vertriebsorganisation und versuchen so, das Produkt und die Marke zu positionieren. Sind wir dabei erfolgreich, erweitern wir die Organisation um Service- und Lagerkapazitäten. Erst danach kommen Montage, Produktion und Engineering dazu. Das kann aber im Ergebnis dazu führen, dass wir letztlich mehrere Hundert Mitarbeiter in einer Region haben.

Bauen Sie auch Forschung&Entwicklung außerhalb von Deutschland  auf?

Aktuell haben wir  unsere Kernkompetenzen zentral in den hiesigen Standorten angelegt. Aber wir haben bereits in der Vergangenheit nach und nach Produktions- und Werkzeugwissen in den Regionen verteilt. Für die Zukunft ist absehbar, dass Entwicklungen, die die Anforderungen aus den Regionen berücksichtigen, auch in den einzelnen Regionen selbst vorangebracht werden.

Stichwort Fachkräftemangel: Wie gewinnen und binden Sie Mitarbeiter in den Weltzentren der Produktion wie China und den USA?

Trotz Fachkräftemangel – wir finden hier in Deutschland sehr gute Fachkräfte für uns und können sie gut entwickeln. Ähnlich ist das in den vielen Regionen der Welt. Wir suchen vor Ort und geben den vorwiegend lokalen Mitarbeitern die Chance, sich im Unternehmen zu entwickeln. Deshalb haben wir eine sehr geringe Fluktuation. Wir sind bestrebt, die Mitarbeiter möglichst lange im Hause zu halten. Das gelingt uns, indem wir sie engagiert führen. Das Wissen kann schließlich nicht von heute auf morgen aufgebaut werden. Wir haben ein sehr gutes und über viele Jahre bewährtes System der technischen und kaufmännischen Unterstützung für unsere Niederlassungen vor Ort. Die technische Kompetenz ist maximal so weit weg wie das nächste Telefon.

Wie hat sich der Takt bei Innovationen seit der Krise verändert, wie wichtig sind dabei Technologiekooperationen?

Technologiekooperationen existieren auf verschiedenen Ebenen. Wir sind extrem eng mit unseren OEM-Kunden verbunden und bestrebt, die Entwicklung ihrer Produkte mit unserem Know-how zu begleiten.  Wir versuchen dem individuellen Anspruch des Kunden gerecht zu werden. Bereits in der Entstehungsphase neuer Produkte der Kunden ist die Kooperation bei der gemeinsamen Entwicklung mit dem Kunden notwendig, um die Anpassungen bestmöglich zu gestalten. Dazu kommt: Die Produktlebenszyklen haben sich in den vergangenen Jahren deutlich geändert, die Lebenszyklen liegen mittlerweile bei maximal drei bis fünf Jahren. Früher lagen diese bei mehr als 20 Jahren. Wir investieren aktuell fünf bis sieben Prozent vom Umsatz pro Jahr in Innovation. Das qualifiziert uns natürlich als Technologiepartner bei den Kunden. Und das ist im globalen Wettbewerb auch dringend geboten. Die asiatischen Wettbewerber sind bereits ausgesprochen gut, was Großserien und attraktive Preise betrifft. Aber bei der grundlegenden Innovation, bei Anpassung an Kundenwünsche und bei der Individualisierung haben wir noch einen Vorsprung.

Wenn Sie selbst sehr oft vor Ort sind, gibt es denn einen Markt,  der Ihnen persönlich ganz besonders am Herzen liegt?

Mir persönlich ist jeder Markt lieb. Der Weg nach China war sehr steinig, aber ich wollte diesen Markt unbedingt aufbauen. Mittlerweile ist China mit Abstand unser bedeutendster Markt. Überall, wo es etwas zu tun gibt, ist es für mich spannend. Wir haben Südamerika trotz starker Zweifel aufgebaut und uns auch dort mittlerweile hervorragend positioniert.  Ich bin auch sehr gerne in den USA. Die Vereinigten Staaten sind der größte Markt, im industriellen Bereich, den es zu erobern gibt. Da steckt noch viel Potenzial dahinter. Überall gibt es Wettbewerber und überall sind Hürden zu überwinden, aber das macht doch die Herausforderung erst aus.

 

Das Interview ist erschienen in:
Ernst Leiste, Tassilo Zywietz, Hans Gäng:
“Krise, welche Krise? Internationalisierung in bewegten Zeiten”
ISBN: 978-3-9817242-1-9 im Buchhandel oder bei Amazon