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Wenn es eine in der breiten Öffentlichkeit eine fest verankerte Betrachtung der Auslandsaktivitäten gibt, die am stärksten von der Bewertung durch die Unternehmen selbst abweicht, ist dies die Rolle der Personalkosten und generell der Personalstrategie der Unternehmen im Ausland. Der vielfach geäußerten öffentlichen Wahrnehmung von „Arbeitsplatzverlagerung“ steht ein differenziertes Vorgehen der Unternehmen beim Aufbau von Kapazitäten im Ausland gegenüber.

Das erste Resümee der Studie von Going International aus dem Jahr 2005 bleibt gültig: Bei der Auswahl leitender Mitarbeiter im Auslandsgeschäft setzen deutsche Unternehmen auf qualifiziertes Personal im Zielland – und das in sämtlichen Unternehmensbereichen.

Bei der Mitarbeitersuche setzen sie dabei überwiegend auf Eigeninitiative. Besonders wichtige Anforderungen, die Unternehmen an ihren General Manager, Marketing- und Vertriebsmanager sowie Einkaufsleiter imAusland stellen, sind gute Kontakte, Beziehungen und Marktkenntnisse im Zielland. Geringe Personalkosten spielen in allen Befragungen seit 2005 kontinuierlich praktisch keine Rolle.

Die Ergebnisse der Going International Studie 2008 zeigen, dass für 52 Prozent der Unternehmen „qualifizierte Mitarbeiter“ ein weiterer wesentlicher Erfolgsfaktor im Auslandsgeschäft sind. Speziell Großunternehmen (68 Prozent) schätzen den Personalbereich als Schlüsselfaktor ein. Das Thema hat besondere Bedeutung für Dienstleistungsunternehmen (62 Prozent) und wenn es für große Unternehmen/Konzerne um Tochterunternehmen, Joint Ventures oder FuE geht (jeweils über 68 Prozent). Da der Geschäftserfolg des Dienstleistungssektors entscheidend vom Faktor „qualifizierte Mitarbeiter“ abhängt, prägt dieser die „Produktqualität“ eines Dienstleisters maßgeblich mit. Entsprechend spielen in dieser Branche auch „qualifizierte Mitarbeiter“ (55 Prozent) eine sehr bedeutende Rolle.

In den Ergebnissen für Südostasien stimmen zwar die ersten drei Plätze der Motiv-Liste mit den Ergebnissen der Grundgesamtheit überein, jedoch hat sich die weitere Reihenfolge verändert: niedrigere Personal- oder Sachkosten, persönliche Beweggründe / zufällige Kontakte, bessere Verfügbarkeit von qualifiziertem Personal im Ausland und bessere staatliche Rahmenbedingungen rangieren auf dem letzten Platz.

Die Unternehmen mit Tätigkeit in Lateinamerika messen der besseren Verfügbarkeit von qualifiziertem Personal im Ausland eine größere Bedeutung bei als besseren staatlichen Rahmenbedingungen. Hier scheint gerade ein wichtiges Qualifikationsmerkmal der kundige und flexible Umgang mit schwierigen und wenig transparenten staatlichen Strukturen. Dass Unternehmen im Ausland besser verfügbares und qualifiziertes Personal vorfinden, kann der überwiegende Teil der auslandsaktiven Unternehmen nicht bestätigen: 87 Prozent sehen ihre darin gesteckten Erwartungen als nicht erfüllt an. Bei der Metallindustrie sind sogar 91 Prozent unzufrieden. Erneut zeigen sich die Großunternehmen mit einem Jahresumsatz von über 250 Millionen Euro zufriedener als der Durchschnitt: Sie sahen ihre Erwartungen immerhin zu 31 Prozent erfüllt, wohingegen 92 Prozent der mittelgroßen Unternehmen mit einem Umsatz von 10 bis 25 Millionen Euro offenbar nicht an qualifiziertes Personal herankommen konnten.

Bei den rein standortbezogenen Gründen ist die Enttäuschung meist groß. Ganz überwiegend haben sich die Erwartungen der Unternehmen in Bezug auf niedrige Personal- und Sachkosten, bessere staatliche Rahmenbedingungen und bessere Verfügbarkeit von qualifiziertem Personal im Ausland nicht erfüllt.

Die Umfrageergebnisse zeigen, dass der Qualifizierungsbedarf von Mitarbeitern im Inland für das Auslandsgeschäft erheblich höher ist als der im Ausland. Zum einen ist dies Ausdruck höheren Qualifizierungsbedarfs der Unternehmen am Standort Deutschland, zum anderen lässt die hohe Zahl aber auch darauf schließen, dass viele Mitarbeiter – vor allem in Deutschland – nicht genügend auf die Anforderungen des internationalen Geschäfts vorbereitet sind. Für die meisten deutschen Unternehmen ist daher die kontinuierliche Weiterbildung ihrer Mitarbeiter unumgänglich, wollen sie sich im harten globalen Wettbewerb erfolgreich positionieren. Darauf weist die hohe Quote der Bereitstellung von Qualifizierungsangeboten im In- und Ausland hin. So führen die international tätigen Unternehmen für 84 Prozent ihrer deutschen Mitarbeiter und für 61 Prozent der ausländischen Mitarbeiter derartige Maßnahmen durch.

Ein besonderer Bedarf bei der Qualifizierung von Mitarbeitern in Deutschland besteht nach der Einschätzung der befragten Unternehmen bei der Erweiterung der Fremdsprachenkenntnisse (69 Prozent erkennen hier Bedarf) und beim kaufmännischen Know-how (60 Prozent). Bei technischen Fertigkeiten (54 Prozent), Führungskompetenzen (46 Prozent) und interkulturellen Fähigkeiten (40 Prozent) wird dagegen im Allgemeinen zwar weniger aber immer noch nennenswerter Bedarf festgestellt.
Eine an der Branchenzugehörigkeit der Unternehmen orientierte Auswertung ergibt einen höheren Qualifizierungsbedarf in Qualifizierungsfeldern, die für den Unternehmenserfolg des jeweiligen Unternehmens entscheidend sind. So sehen Maschinenbau- oder Elektrotechnikunternehmen primär im technischen Bereich (73 Prozent bzw. 68 Prozent) weiteres Potential bei der Mitarbeiterqualifizierung, während Dienstleister vor allem im Bereich interkulturelles (50 Prozent) und kaufmännisches Know-how (41 Prozent) bzw. im Feld der Führungskompetenz (41 Prozent) Bedarf sehen.

Auffallend ist jedoch, dass der wahrgenommene Qualifizierungsbedarf besonders in der verarbeitenden Industrie groß ist (58 Prozent), während Handelsunternehmen (45 Prozent) und Dienstleistungsunternehmen (44 Prozent) in allen Qualifizierungsfeldern weniger Bedarf erkennen. Dies ist auch ein Ausdruck des zunehmenden Fachkräftemangels in den technischen Berufen.

Bei einer Differenzierung nach der Unternehmensgröße ist zu erkennen, dass der Qualifizierungsbedarf durch alle Qualifizierungsfelder proportional zur wachsenden Unternehmensgröße ansteigt. Während durchschnittlich nur 41 Prozent der kleinen Unternehmen bis zu einem Jahresumsatz bis 500 Tsd. Euro Weiterbildungsbedarf sehen, wollen Großunternehmen mit einem Jahresumsatz von über 50 Mio. Euro im Durchschnitt 63 Prozent ihrer Mitarbeiter in Weiterbildungsmaßnahmen fördern. Dies kann mit der besseren Bereitstellung von Ressourcen für Trainingsmaßnahmen durch größere Unternehmen zusammenhängen. Eine bessere Bereitstellung von Ressourcen für solche Zwecke ist außerdem oftmals mit besseren Möglichkeiten bei der Bedarfsanalyse zum Thema Mitarbeiterqualifizierung verbunden, so dass durch solche Analysen ein Bedarf erst erkannt wird. Zudem sind große Unternehmen strukturell bedingt höher in den einzelnen Unternehmensfunktionen spezialisiert; in kleineren Unternehmen übernehmen einzelne Personen häufig mehrere Funktionen. Durch den höheren Spezialisierungsgrad der einzelnen Mitarbeiter in der Ausbildung und im Einsatz am Arbeitsplatz wird der Weiterbildungsbedarf ebenfalls klarer umrissen.

Beim relativ hohen Qualifizierungsbedarf der Mitarbeiter von Industrieunternehmen im Ausland stehen technische Fertigkeiten im Vordergrund (45 Prozent), gefolgt von kaufmännischem Know-how (35 Prozent). Führungskompetenzen (29 Prozent), Fremdsprachen (27 Prozent) und interkulturelle Kompetenzen (22 Prozent) haben einen weniger hohen Stellenwert. Bei Handelsunternehmen spielt die Qualifizierung im Ausland insgesamt eine geringere Bedeutung, da viele Unternehmen nicht vor Ort tätig sind – das wichtigste Qualifizierungsfeld ist hier das kaufmännische Know-how (26 Prozent). Bei Dienstleistern hingegen sind vor allem Fremdsprachen und (fach-)technisches Know-how (41 Prozent), aber auch kaufmännische Fähigkeiten und Führungskompetenz (38 bzw. 37 Prozent) gefragt. Der Bedarf an Qualifizierung in interkulturellen Kompetenzen ist im Ausland in allen Branchen vergleichsweise niedrig.

Der gesamte Qualifizierungsbedarf im Ausland ist im Vergleich zum Inland in der Dienstleistungsbranche am höchsten: 41 Prozent aller befragten Unternehmen sehen hier Bedarf. Das verarbeitende Gewerbe folgt auf dem zweiten Rang mit 34 Prozent und der Handel auf dem dritten Rang mit 21 Prozent. Innerhalb des verarbeitenden Gewerbes sehen vor allem die Automobilindustrie und ihre Zulieferer verstärkten Handlungsbedarf im Ausland (43 Prozent). Ebenfalls über dem brancheninternen Schnitt liegen im verarbeitenden Gewerbe die Metallindustrie (37 Prozent) und der Maschinenbau (35 Prozent). Besonders in der Automobilbranche fällt dabei ein höherer Qualifizierungsbedarf an, da Unternehmen dieser Branche häufig im Ausland mit „tiefen“5 Investitionstätigkeit wie einer Tochtergesellschaft oder einer Niederlassung tätig sind.

Im Allgemeinen ergibt eine Auswertung der Mitarbeiterqualifizierung nach der Aktivitätsform des Unternehmens im Ausland, dass tiefere Formen des Auslandsengagements einen höheren Qualifizierungsbedarf hervorrufen. So sehen 54 Prozent der Unternehmen, die in Form eines Tochterunternehmens oder einer Niederlassung im Ausland aktiv sind, und 51 Prozent der Unternehmen, die Forschung und Entwicklung im Ausland betreiben, bei ihren Mitarbeitern Qualifizierungsbedarf. Gleichzeitig haben nur 38 Prozent derjenigen, welche die Aktivitätsform „selbständiger Kooperationspartner“ gewählt haben, angegeben, ihre Mitarbeiter weiterbilden zu wollen. Wenn ausschließlich Handelsgeschäfte betrieben werden, wird im Vergleich am wenigsten im Ausland weitergebildet: Nur 30 Prozent derjenigen, die fertige Produkte ins Ausland exportieren und 31 Prozent derjenigen, die nach Deutschland importieren, betreiben Qualifizierungsmaßnahmen.

Im Ausland ist der Zusammenhang zwischen steigender Unternehmensgröße und steigendem Qualifizierungsbedarf deutlicher als im Inland. Der verstärkende Faktor ist dabei die Aktivitätsform der Unternehmen im Ausland. Da kleinere Unternehmen in der Regel nur in kleinerem Umfang im Ausland investiert haben und damit weniger tiefe Aktivitätsformen betreiben, ist der Qualifizierungsbedarf aufgrund der kleineren Mitarbeiterzahl bei einer weniger tiefen Aktivitätsform bzw. bei geringerer Aufgabenkomplexität geringer. Umgekehrt verstärkt eine tiefere Aktivitätsform im Ausland den relativen Qualifizierungsbedarf größerer Unternehmen.Beim Umfang des Qualifizierungsbedarfs außerhalb Deutschlands gibt es keine großen Unterschiede zwischen den verschiedenen Weltregionen. Der Bedarf ist zwar in der Region EU-15/EFTA mit 30 Prozent der befragten Unternehmen am niedrigsten. Allerdings liegt selbst Lateinamerika, das den höchsten Durchschnittwert aller Qualifizierungsbereiche aufweist, auch nur bei 41 Prozent. Die Werte der anderen Regionen liegen alle zwischen 35 und 38 Prozent. Dies macht deutlich, dass die Unternehmen bei ihren – meist lokalen – Mitarbeitern im Ausland einen nicht so hohen Qualifizierungsbedarf sehen wie bei Mitarbeitern in Deutschland, so dass diese bei ihrer Geschäftstätigkeit im Ausland meist nicht gesondert auf die Besonderheiten der Zielländer vorbereitet werden müssen, weil sie sich vor Ort bereits gut auskennen. Bei deutschen Mitarbeitern hingegen liegt der Bedarf an länder- oder regionenspezifischer Mitarbeiterqualifikation – etwa im interkulturellen oder sprachlichen, aber auch im kaufmännischen Bereich – in Ländern, die einen hohen Spezialisierungsgrad auf das Auslandsgeschäft erfordern, wie z. B. in der Region Nah- und Mittelost / Nordafrika, üblicherweise viel höher, wie dies die Zahlen für die Weiterbildung im Inland zeigen. Bei der Weiterbildung ausländischer Mitarbeiter in technischer Hinsicht gilt es zudem zu berücksichtigen, dass in weniger entwickelten Regionen wie Südostasien oder Afrika geringere Anforderungen an die einheimischen Beschäftigten gestellt werden, weil deren Aufgaben nicht unbedingt eine höhere Qualifizierung erfordern. Bei der länder- und regionenspezifischen Mitarbeiterqualifizierung sind daher noch ungenutzte Qualifizierungspotentiale erkennbar, die für den Erhalt und die Schaffung von Wettbewerbsvorteilen im veränderten globalen Umfeld nutzbar gemacht werden können.

 Damit konzentrieren sich die deutschen Unternehmen bei ihren Qualifizierungsmaßnahmen primär auf Deutschland. Sie tragen erheblich dazu bei, den großen Wettbewerbsvorteil Deutschlands auf den Weltmärkten, die hohe Qualifizierung der Mitarbeiter, erfolgreich einzusetzen und weiter auszubauen. Der im Ausland erheblich geringer eingeschätzte Qualifizierungsbedarf mag mit geringeren Anforderungen an die Mitarbeiter aufgrund der dort vorhandenen niedrigeren Fertigungstiefe zusammenhängen. Zu fragen ist dennoch, ob in der Mitarbeiterqualifizierung im Ausland noch ungenutztes Potential liegt, nimmt man als Benchmark den hohen Weiterbildungsbedarf, den die Unternehmen für ihre Mitarbeiter im Inland sehen.

Die zunehmende Bedeutung qualifizierten Personals im Ausland als Grund für die Tätigung von Auslandsinvestitionen lässt jedoch erwarten, dass der Trend zu einer bessere Nutzung dieses Potentials stärker wird: Qualifikation wird von den Unternehmen zunehmend gezielt als Wettbewerbsvorteil auch im Ausland ausgespielt.