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Komet aus dem baden-württembergischen Besigheim liefert Spitzentechnologie für hochpräzises Bohren, Reiben, Fräsen, Gewinden und Prozessüberwachung. Matthias S. Heinz, Geschäftsführer der Komet Group, über Auslandsmärkte, Digitalisierung – und die damit verbundenen Herausforderungen für ein mittelständisches Traditionsunternehmen.

Matthias S. Heinz, Geschäftsführer Komet Group GmbH

Nach der Position im Weltmarkt gefragt, aus welchen Märkten kommen die stärksten Wettbewerber von Komet?

Unsere Wettbewerber kommen überwiegend aus Deutschland. Hier in Süddeutschland, speziell im Großraum Stuttgart, gibt es den klassischen Mittelstand. Und dann gibt es natürlich die Global Player wie Sandvik, Iscar oder Kennametal, die 10 bis 15 mal größer sind als wir und die überall auf der Welt präsent sind. Immer mehr müssen wir uns auch mit dem Wettbewerb aus Fernost auseinandersetzen, aus Korea, Japan und schon aus China. Das sind dann zunächst neue Wettbewerber, die irgendwo angefangen haben, die man nicht kennt und die in ihren Heimatmärkten auf unsere Kunden zugehen. Anzunehmen, dass der Marktzugang in unserem wissensgetriebenen Technologiesegment für Neueinsteiger nicht leicht wäre, ist definitiv falsch. In der Konsequenz bedeutet das für uns, dass Wachstum in China für uns und unsere Branche sehr viel schwieriger geworden ist.

Was bedeutet China überhaupt für Ihr Unternehmen als Markt, auch mit Blick auf die nächsten Jahre und Jahrzehnte?

Komet ist 2005, also vergleichsweise spät, in den chinesischen Markt eingetreten. Wir haben in Taicang mit einer Vertriebsgesellschaft angefangen, die sich dann bis 2010 und 2011 sehr gut und schnell entwickelt hat. Rückblickend kann man sagen, dass wir durch die Krise 2008/2009 mit der jungen Firma in China auch gut durchgekommen. Wir haben uns dann mit Blick auf die Größe des Marktes entschlossen, eine Produktion in China aufzubauen. Damit haben wir 2011 angefangen. Jetzt liegt Chinas Umsatzanteil bei uns bei ca. 10 Prozent. In China besteht eine große Nachfrage nach unseren Produkten und unserem technischen Know-how. Unsere chinesische Tochtergesellschaft produziert fast ausschließlich Sonderwerkzeuge für den chinesischen Markt und gewährleistet durch seine sieben Verkaufsbüros eine große Nähe zu den Kunden.

Wie lange dauert ein solcher Aufbauprozess und welche Herausforderungen bringt er in China mit sich?

Wie wir bei allen Märkten gesehen haben, ist das natürlich kein Prozess ,der innerhalb eines Jahres abzuschließen wäre. Maschinen hinstellen reicht ja nicht. Der Transfer von Know-how spielt eine ganz entscheidende Rolle. Das ist in einigen Märkten leichter, in anderen hingegen sehr viel schwieriger. Als wir 2012/13 alle Leute in China geschult hatten, haben wir eine Erfahrung gemacht, die die meisten Unternehmen machen: Fluktuation! Die ersten fünf, sechs, sieben Jahre war das überhaupt kein Thema. Jetzt wird der Know-how-Transfer zu einem zähen Prozess. Auch in anderen Ländern kann das zwei bis vier Jahre dauern, wie wir in Indien, Polen oder Mexiko gesehen haben. Aber dort haben wir kaum Fluktuation, das ist dann ein stabiler Prozess.

Was ist beim Thema Personal und Facharbeiter-Ausbildung in China so anders?

Geschultes oder wie hier ausgebildetes Personal ist praktisch nicht zu finden. Also bilden wir unsere Mitarbeiter selber aus. In China gibt es zwar Initiativen, von den Auslandshandelskammern und an unserem Standort Taicang auch von den deutschen Unternehmen, aber die Facharbeiter-Ausbildung ist gesellschaftlich einfach nicht akzeptiert, weder bei den Eltern noch bei den jungen Leuten selber. Viele sehen die Ausbildung bei uns auch als einfache Steigerung des persönlichen Marktwerts, um schnell weiter zu ziehen. Und das ist das Level der Maschinenarbeiter – in den höheren Rängen ist Fluktuation ohnehin ein großes Problem. Dort werben sich die Unternehmen die Leute mit Branchenerfahrung wechselseitig ab, von denen es ohnehin nur einen kleinen Pool gibt. Man muss sich immer wieder klar machen, dass das ja noch kein entwickelter Markt ist. Einfach eine Stellenanzeige für einen Meister aufsetzen, wie wir das hier in Deutschland machen würden, das gibt es so nicht. Die duale Ausbildung deutschen Musters lässt sich nicht einfach duplizieren. Das schafft letztendlich Engpässe an den Stellen in der Produktion, wo echtes Produkt- und Prozesswissen gebraucht wird. Und das ist auch nicht mit einem zweiwöchigen Besuch eines Technikers aus Deutschland abzustellen. Da gehören dann auch mehrwöchige Schulungen unserer Leute hier bei uns in Deutschland dazu.

Liegt da der Gedanke nahe, dann lieber wieder das alte Konzept einer verlängerten Werkbank zu praktizieren?

Wir haben unsere Erwartungen abgespeckt und modifiziert. Den Anspruch, dass Mitarbeiter ein übergreifendes Interesses und Fähigkeiten in unterschiedlichen Bereichen haben, haben wir dort nicht mehr. Wir haben gelernt, dass wir es den Leuten schlicht einfacher machen müssen. Um es mal auf den Punkt zu bringen: nicht verlängerte Werkbank, sondern tiefere Spezialisierung. Wir grenzen zum Beispiel die Variantenanzahl ein und erwarten vielmehr, dass die Leute einzelne Produktgruppen, wie Bohrer, Sonderwerkzeuge, Reibahlen und PKD-Werkzeuge, meistern. An anderen Standorten ist uns dieser Spagat gelungen, in China bisher nicht. Die Chinesen haben eine andere Sichtweise als wir Europäer, Selbstoptimierung ist das Ziel. Marke und Loyalität sind dort nicht so verhaftet wie hier.

Überlegen Sie, Forschung & Entwicklung über verschiedene Standorte in der Welt zu verteilen?

Das ist bei uns bislang eher ein Zukunftsthema und nur in Ansätzen vorhanden. Beim tiefen F&E-Wissen sind wir noch relativ traditionell unterwegs. Unser Know-how ist in Besigheim und Stuttgart konzentriert. Für ein oder zwei Produktlinien aber durchaus schon in Polen. Unser Ziel ist es, dass die einzelnen Landesgesellschaften mehr Verantwortung bekommen. Auch bei der Entwicklung von digitalen Produkten, etwa unseren Assistenzsystemen, nutzen wir neue und internationale Ressourcen, konkret Entwickler, die wir in Indien eingestellt haben. Das war schon ein Schritt für den Standort unseres Tochterunternehmens in Hannover, hier Kompetenzen und Verantwortung an die Kollegen in Indien abzugeben. Aber alle wissen, dass künftiges Wachstum davon abhängig ist.

Wie bewältigt Komet den globalen Wissenstransfer im Unternehmen?

Wir lassen Vertriebsmitarbeiter aus anderen Ländern nach Deutschland kommen um Marke und Branding, aber vor allem die Unternehmenswerte zu vermitteln. Das bekommt man nur über Broschüre und Schulungsunterlagen nicht hin. Und dann haben wir ja auch unsere mobile Eingreiftruppe, die wir in einem Kompetenzzentrum zusammengefasst haben. Das ist ein Team aus allen Unternehmensbereichen, das weltweit an allen Standorten aktiv wird, Aufbauhilfe leistet und den Transfer von Know-how und Prozesswissen dann vor Ort umsetzt. Das ist für einen Mittelständler wie uns ein pragmatischer und machbarer Ansatz. Wir sind kein Großkonzern, wie z.B. nicht Daimler. Wir können uns keine hundert Expats leisten, die in einem Zeitraum von zwei Jahren dann eine Kopie der Prozesse in China hinstellen, die dann genauso aussehen wie das Original hier. Die Leute, die das könnten, brauchen wir auch hier, und in Indien und in Polen und in Mexiko.

Kommen wir zur aktuellen Situation in den internationalen Märkten …

Beim Thema BRIC sind nicht nur bei uns einige Phantasien geplatzt, das gilt vor allem für Brasilien, Russland und auch die Türkei. Nur Indien läuft sehr gut. In China stellen wir uns den genannten Problemen. Russland läuft aber trotz Krise auf gutem Niveau. Wir haben einen sehr guten Geschäftsführer, der die Umsätze trotz Krise steigert. Was wieder einmal zeigt, wie wichtig im Mittelstand einzelne Menschen sind. Europa hat übrigens leider nicht ganz den Ausfall in den BRIC-Staaten kompensieren können. Italien hat sich am wenigsten erholt von der 2008er Krise. Es ist von dort sehr viel verarbeitende Industrie nach Zentral- und Osteuropa weggezogen. Unser gutes Wachstum in Polen kommt zu einem guten Teil davon, dass Kfz-Zulieferer aus Italien weggezogen sind. Das ist ein Nullsummenspiel in Europa, letztendlich zu Lasten der italienischen Landesgesellschaft. Nach Spanien sind wir erst kurz vor der Krise gegangen. Frankreich ist seither auch nicht mehr gewachsen. Aber Europa ist zumindest stabil geblieben. Indien war und ist darum unser wichtigster Kompensationsfaktor.

Welchen Stellenwert hat Digitalisierung für Komet im internationalen Wettbewerb?

Digitalisierung hat das Potenzial die Produktion nachhaltig zu verändern. Aus meiner Sicht gibt es zwei zentrale Nutzen: zum einen können Unternehmen und Produkte besser werden, denn jedes Unternehmen kämpft darum, gute Produkte anzubieten. Die Vernetzung hilft dabei in der Steuerung aber auch bei Prozessstörungen, schneller und individueller reagieren zu können. Prozesse werden somit effizienter und verbrauchen weniger Ressourcen, wenn Maschinen miteinander intelligent verknüpft sind und kommunizieren. Zum anderen können wir unseren Kunden mehr Nutzen anbieten. Die virtuelle Produktion ermöglicht zusätzliche Services und Dienstleistungen mittels neuer Geschäftsmodelle.

KOMET stellt Werkzeuge her und ist in der Zerspanungstechnologie zuhause. Wir sehen, dass bei vielen Kunden das Zerspanungs-Know-how mehr und mehr abnimmt. Im Gegenzug wird die Bearbeitung immer komplexer. Das heißt, wir müssen intensiven Technologie-Support leisten. Angesichts der Globalisierung stellt sich deshalb die Frage, wie wir diese Unterstützung tatsächlich weltweit an den Mann bringen können. Hierbei leisten digitale Assistenzsysteme und die Cloud-Technologie wertvolle Dienste. Mit dem Prozessüberwachungssystem ToolScope unseres Tochterunternehmens KOMET BRINKHAUS sind wir bestens aufgestellt, da es einen intensiven Blick in die Maschine gestattet. Damit möchten wir zukünftig einen ‚Fingerabdruck‘ des Zerspanungsprozesses erstellen, der in anderen Produktionsstätten abgebildet werden kann. Mit einem speziellen, patentierten Verfahren zur statistischen Prozesskontrolle ist nicht nur die Überwachung auf Werkzeugbruch, sondern auch auf deutlich geringere Fertigungsabweichungen möglich. Damit bietet ToolScope  neben den üblichen Verfahren der Prozesskontrolle auch erstmalig ein Verfahren zur Qualitätskontrolle im Prozess an.

Wo sehen Sie Komet denn in 10 Jahren zum Thema Digitalisierung?

In unserer langfristigen Strategie haben wir uns vorgenommen, in zehn Jahren rund 30 Prozent unseres Umsatzes mit digitalen Produkten zu machen. Jetzt sind wir erst bei gerade zwei Prozent. Das wäre dann ein Umsatz von Hundert Millionen. Wir werden einzelne Bausteine dazu erwerben und  neue Lösungsansätze zu Produkten zu machen. Mit den heutigen Produkten allein geraten wir immer mehr in die Commodity-Falle, in der letztendlich  Überkapazitäten, Preiskampf und Ersetzbarkeit abzusehen sind.

Wie schiebt man die Digitalisierung in einem eher traditionell produzierenden mittelständischen Unternehmen an?

Das ist eine sehr mühsame und schwierige Aufgabe. Auch gegenüber den Mitarbeitern ist das Gebot der Flexibilität immer wieder zu verdeutlichen. Nichts wird so bleiben, wie es bisher war. Veränderung nimmt neue Dimensionen an, die von den Mitarbeitern teilweise als Bedrohung wahrgenommen werden. Dazu gehört etwa die Verlagerung älterer Produktlinien nach Indien und Polen, die als Standorte Lohnkostenvorteile haben. Das lässt sich nun mal nicht wegdiskutieren. Dafür werden wir hier neue und digitalisierte Produkte herstellen die übrigens als standardisierte Produkte und Prozesse auch sehr viel besser internationalisiert werden können. Wir versuchen, über Schulungen und einen stetigen Dialog unsere Mitarbeiter zu überzeugen, dass wir uns alle gemeinsam den Veränderungen stellen und so davon profitieren. Komet ist ein führendes Technologieunternehmen und das verpflichtet uns, für offene und kooperative Geschäftsmodelle der Digitalisierung gerüstet sein.

 

Das Interview ist erschienen in:

“Krise, welche Krise? Internationalisierung in bewegten Zeiten”
Ernst Leiste, Tassilo Zywietz, Hans Gäng
ISBN: 978-3-9817242-1-9 im Buchhandel oder bei Amazon