Bernd Reitmeier war viele Jahre ein Aktivposten der deutschen Auslandshandelskammer in Shanghai, bevor er sich mit seiner Startup Factory im nahen Kunshan selbständig gemacht hat. Sein heftig diskutierter Linkedin-Beitrag: Gerade jetzt, gerade in China brauchen industrielle KMU eine breit aufgestellte Kammerorganisation – mit einem guten Service- und Beratungsangebot auch schon in Deutschland.
„Mehr als 20 Jahre gab es eine Anlaufstelle für deutsche Mittelständler in Deutschland, wenn sie sich über China informieren wollten oder Rat bei Problemen bestand. Die Büros der Auslandshandelskammern in China/ Hongkong/ Taiwan unterhielten ein eigenes kleines Büro in Karlsruhe. Ähnliche Konstruktionen gibt es heute noch für Indien oder die USA. Tausende Beratungsgespräche wurden in dieser Zeit geführt, unzählige Veranstaltungen organisiert, um deutsche Firmen bestmöglich auf ihren Start in China vorzubereiten. Doch der DIHK hat nun entschieden, das Büro zum Ende des Jahres zu schließen. „Es sei kein Bedarf mehr an Beratung“. Oder sind es doch politische Motive, die zu dieser Entscheidung geführt haben?
Viele Länder haben uns in der Vergangenheit beneidet um das weltweite Netzwerk der Auslandshandelskammern
Viele Länder haben uns in der Vergangenheit beneidet um das weltweite Netzwerk der Auslandshandelskammern, das sicherlich einen kleinen Beitrag zur erfolgreichen Globalisierung deutscher KMUs beigetragen hat. Man scheint in Deutschland vergessen zu haben, dass Globalisierung das einzige Geschäftsmodell ist, um unseren Wohlstand aufrecht zu erhalten. Und nun haben wir nichts Besseres im Sinn, als unser Globalisierungsmodell offen vor unseren Kunden in der Welt in Frage zu stellen? Sollten Verbände nicht im Sinne ihrer zahlenden Mitglieder agieren, statt sich als verlängerter Arm der Politik zu positionieren?
Stattdessen verkümmert das AHK-Netzwerk in China – einst als Säule der Außenwirtschaft neben den German Centres und der GTAI bezeichnet, zunehmend zu einem verlängerten Arm von Investment Promotion Agencies chinesischer Provinzen, in denen sich niemals ein deutsches Unternehmen ansiedeln wird. Globalisierung wird hoffentlich kein Ende nehmen, aber wird in vielen Regionen der Welt sicherlich nicht einfacher. Gerade in diesen für die Unternehmen schwierigen Zeiten brauchen unsere Unternehmen ein starkes AHK-Netzwerk.
Seit Jahren wird in der Öffentlichkeit kritisch diskutiert, ob das AHK-Netzwerk, das in Teilen durch IHK-Pflichtmitgliedschaften der Unternehmen und den Bund finanziert wird, noch eine Daseinsberechtigung hat. Ich hätte vor fünf Jahren gekämpft für die Position der AHKs in China, schaue heute aber traurig auf die strategische Ausrichtung – gerade in einer Zeit, in der Tausende von Mutterhäusern nicht in der Lage sind, aufgrund der strikten COVID-Regularien nach China zu reisen. Mir fällt hier spontan eine Szene aus dem Film „Dschungelbuch“ ein, in der Mogli und der weise Bär Balu die Säulen einer Tempelanlage zerstören. Die einstige Säule der Außenwirtschaft bröckelt und leider wird man den Firmen mit „Versuch‘s mal mit Gemütlichkeit “ nicht viel weiterhelfen können.
Bernd.Reitmeier@startup-factory.biz
Startup Factory (Kunshan) Co., Ltd.